Joh.16,16,20-23

Alapige: 

Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen; und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen, denn ich gehe zum Vater. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden. Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit; denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist. Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an dem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er's euch geben.

Időpont: 
vasárnap, 2011, május 15 - 02:00

Liebe Gemeinde!

Ein jedes Ding hat seine Zeit und alles, was getan wird, hat seine Stunde. Geborenwerden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit.

Diese Worte des Predigers Salomo sollen uns ermutigen und trösten: Das Schlimme geht vorüber. Aber diese Worte machen uns auch darauf aufmerksam: Auch das Schöne kann nicht ewig dauern. Wir sind mit durch sie eingeladen, mit dem "Abschied nehmen" zu leben. Im Grunde ist unser ganzes Leben von Abschieden geprägt. Schon die Geburt ist ein Abschied - ein Abschied von der engsten Verbundenheit mit der Mutter. Doch erst durch diesen Abschied erhält ein Mensch die Möglichkeit, sein eigenes Leben auf dieser Erde zu beginnen. Immer wieder müssen wir uns abnabeln, um weiterzukommen.

Das ganze Leben ist von Abschieden und Neuanfängen durchwoben: Wir werden geboren, verbringen die Jahre der Kindheit und der Jugend, werden erwachsen. Als erwachsene Frauen und Männer gestalten wir unser Leben, reifen, werden stark, erreichen den Höhepunkt. Im Alter nehmen wir ab, bis wir sterbend diese Welt verlassen.

Unser Leben ist geprägt von dauerndem Verlassen und Neubeginnen. Ständig müssen wir loslassen und uns neu orientieren. Wir müssen uns trennen von liebgewordenen Menschen, von Dingen, die wir liebten und schätzten. Und unsere Lebensabschnitte sind geprägt von Trennung und Neubeginn.

Um uns auf den heutigen Predigttext einzustimmen, zuerst eine Geschichte, es ist eher ein Märchen. Das Märchen von Hans im Glück! Vielleicht haben Sie dieses Märchen schon vergessen, vielleicht noch nie gehört. Eine kurze Fassung soll veranschaulichen, wie sehr wir von Besitztümern, von materiellen Dingen abhängig sind und erst durch ihren Verlust eine besondere Erleichterung verspüren.

Ein junger Mann beendete nach sieben Jahren sein Arbeitsverhältnis und bat um seinen Lohn. Da sein Herr mit ihm sehr zufrieden war, gab er ihm als Dank für seine Dienste einen großen Klumpen Gold. Dieser drückte jedoch so auf Kopf und Schultern beim Tragen, dass der junge Mann schon starke Schmerzen litt. Da kam ihm ein Reiter entgegen, der Bursch sah diesen neidvoll an. Reiten würde ihm gefallen und so tauschte sein Gold gegen das Pferd. Dieses jedoch warf ihn, da er ja nicht reiten konnte, bald ab und ein entgegenkommender Bauer hielt es auf. Dieser hatte eine Kuh bei sich, die dem jungen Mann sehr gefiel. Diese Herrliche Milch, dachte er und schon tauschte er Pferd gegen Kuh. Doch bald war ihm auch diese nicht mehr recht und er bekam für die Kuh ein Schwein. Dieses tauschte er für eine Gans ein, diesen dann für einen Schleifstein. Als er zu einem Brunnen kam, legte er den Stein so ungeschickt auf den Brunnenrand, dass dieser hineinfiel. Nun hatte er nichts mehr - aber froh, sich mit nichts mehr ärgern zu müssen, hüpfte er singend davon.

Ja, ich weiß, der junge Mann scheint geistig ein wenig beschränkt gewesen zu sein. Doch es ist ja auch nur ein Märchen - aber mit was für besonderem Hintergrund:

Egal, was einer besitzt, das was andere haben, scheint oft das wertvollere zu sein. Auf Grund dieses Gedankens wurden ja schon Kriege geführt. Daher sollten wir uns nicht immer den Besitz der anderen als erstrebenswert vor Augen halten, sondern uns mit dem begnügen, was wir oft so reichlich in unserem Besitz haben und gar nicht richtig einschätzen können, bis wir es verlieren: Gesundheit, ein sicheres Zuhause, unseren Glauben an Gott.

Doch materielle Herausforderungen nach noch mehr, noch größerem, noch schönerem Besitz, sollten nicht das sein, was unser Leben bestimmt und unser Sinnen und Trachten beeinflußt. Viel eher sollten wir uns darauf einstellen, dass wir nicht für immer auf dieser Erde sind, dass wir sie nur für eine relativ kurze Zeit benützen können. Und so wie sich die Natur immer wieder wandelt, und immer wieder sich neu entwickelt, so sollten auch wir unser Leben immer wieder neu gestalten. Loslassen, was uns bedrück (wie der Goldklumpen). Loslassen, was uns Schaden könnte (wie das Pferd) - loslassen, was uns in unserer Freiheit im Glauben einengt.

Menschen treten in unser Leben, werden mehr oder weniger wichtig für uns, verhelfen uns zu neuen Einsichten, fordern uns heraus, verlieren wieder an Bedeutung oder verlassen uns.

Wir gehen unseren Weg weiter. Neues begegnet uns, andere Menschen gewinnen für uns an Bedeutung und wir für sie. Und auch unser Glaubens-Leben kennt solche Veränderungen und Umbrüche. Durch einschneidende Erfahrungen werden Menschen in ihren Grundüber-zeugungen erschüttert, so dass ihr bisheriges Weltbild zusammenbricht - und mit ihm womöglich auch ihr Glaube an den liebenden Gott.

Und erst in späteren Jahren und unter veränderten Umständen finden sie womöglich wieder von neuem zum Glauben. Abschied und Neuanfang - verlieren und wieder finden, das gilt auch für unser Glaubens-Leben...! "Abschiedlich leben" heißt: Zurückblicken auf das, was gewesen ist - auch wenn es mit Wehmut und Schmerzen verbunden ist. Sich den Abschieden im Leben ganz bewusst zu stellen. Es heißt, die Dinge für sich zu ordnen, ins Reine zu kommen mit sich und seinen Gefühlen, mit sich und seinen Mitmenschen. Und es heißt auch, offen und ehrlich die Fehler und Versäumnisse, das Bruchstückhafte und Unvollkommene zu sehen, sich selbst nichts vorzumachen. Und "abschiedlich leben" heißt schließlich auch: weitergehen.

Das können wir nur, wenn wir das Alte wirklich loslassen. Nur dann können wir uns auf das Neue frei zubewegen, können die gegenwärtigen Lebensmöglichkeiten ausschöpfen und nutzen. Wohl deshalb heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse am Ende: "Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde."

Nun fällt mir auf, liebe Gemeinde, dass auch Jesus "abschiedlich gelebt" hat. Und dass er auch seinen Freunden und Anhängern immer wieder zugemutet und zugetraut hat, mit den Abschieden des Lebens umzugehen. Auch mit dem Abschied von ihm selbst!

Hören wir dazu einen Abschnitt aus den Abschiedsreden Jesu - im Johannesevangelium, Kapitel 16:

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.

Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen; denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.

Abschied und Neubeginn - die Jünger haben es am eigenen Leib erfahren; mehrmals hatte Jesus seinen Abschied angekündigt.

Jesu grausamer Tod am Kreuz: Ein Abschied, an dem manch einer der Jünger schier zerbrochen ist. Aber dann ein wunderbarer Neuanfang - immer mehr Menschen haben erzählt, der Auferstandene sei ihnen begegnet. Jesus lebt. Karfreitag und Ostern - auf den Abschied folgt ein Neuanfang.

Wenn ich nicht weggehe, sagt Jesus,
so kann der Tröster, der Heilige Geist nicht zu euch kommen"

Der Evangelist Johannes will uns Mut machen. So, wie es uns ergeht, ist es den Menschen vor uns auch ergangen, selbst den Jüngern: Ja, ihr werdet weinen und klagen!

Ihr werdet traurig sein, über euren Verlust. Ja, es gibt sie, diese Durststrecken im Leben, die dunklen Stunden, die einfach nicht enden wollen - die manchmal Jahre dauern und länger.

Ja, ihr werdet weinen und klagen - und vielleicht auch schreien: Mein Gott, warum hast du mich verlassen.

Und doch wird sich stets von neuem unsere Trauer in Freude verwandeln. Unser Weinen in Lachen. Auf jeden Abschied folgt gewiss ein neuer Anfang! Nicht nur, weil ich die Gewissheit im Herzen trage, dass auch der dunkelste Weg eines Tages ins Licht führen wird. Sondern auch, weil ich glaube, dass die schwersten Wege nicht immer und nicht nur allein gegangen werden.

Mit einem "Tröster" an der Seite - sei er nun göttlicher oder menschlicher Natur -, können wir getrost durch alle Abschiede des Lebens hindurch gehen. Und dann mit freudiger Stimme ausrufen:

Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

Amen.

Walter Rossmann