Befiehl dem HERRN deinen Weg...
Ps 37,5
Am 73. Jahrestag des Gedenkens der Vertreibung der Menschen deutscher Kultur und Sprache aus Wandorf hören wir das Psalmwort, mit dem der damalige Pfarrer von Agendorf Dr. Lászlo Pusztai die Menschen am Zug nach Deutschland verabschiedete und zu trösten versuchte: Befiehl dem HERRN deinen Weg, vertrau ihm - er wird es fügen. Psalm 37,5
Ich weiß nicht, ob diese Worte die Menschen damals wirklich trösten konnten – in solch einer Situation können Worte ja nichts ändern. Aber Worte wie diese sind so etwas wie ein Samenkorn oder ein Keim, der sich ins Herz pflanzt und später austreibt.
Befiehl dem Herrn deine Wege – vertraue auf Gott! Ich frage mich manchmal, welches Wort wohl die jüdischen Mitbürger begleitet und getröstet haben mag, die in unserer Gegend Zwangsarbeit leisten mussten und dann ebenfalls mit Zügen weggeschafft worden waren - in den sicheren Tod. Nur kurz vor den Deutschen. Vielleicht hat der eine oder die andere auch an dieses Psalmwort gedacht?
Ich merke, dass das zynisch klingt. Und doch meine ich es nicht so. Es gibt eben solche Situationen, da bleibt nichts mehr als ein Wort, weil es zu spät ist, noch etwas zu tun, weil es keinen Spielraum mehr zum Handeln gibt. Weil es keine Optionen mehr gibt, keine Möglichkeiten, sondern nur noch die Mächtigen, die das Schicksal diktieren.
Die ganze Bibel erzählt immer wieder von solchem Leid, von Vertreibungen und Ungerechtigkeit, von Gefangenschaft und Unterdrückung, von Menschen, die ihre Heimat verlieren oder sich eine neue suchen müssen.
Aber sie erzählt auch davon, wie Gott aus der Gefangenschaft befreit, wie er sein Volk aus der Verbannung zurückholt in die Heimat, Wie er die Sicherheit des Himmels verlässt und sich auf die Seite der Menschen begibt. Wie er an dieser Welt leidet wie viele Menschen, wie er für uns stirbt am Kreuz und doch nicht scheitert.
Es ist dieser eine Gott, der sein Volk in allen Dunkelheiten nicht allein gelassen hat, der die Tränen derer gesehen hat, die weggebracht wurden vor 74 und vor 73 Jahren oder die ihr Heil in der Flucht suchten vor 53 Jahren. Ich glaube, Gott ist bei allen, die ihre Heimat verlassen müssen, damals wie heute.
Befiehl dem Herrn deine Wege – vertraue auf Gott! Denn er wird euch nicht allein lassen. Wir gedenken heute der Vertreibung vor 73 Jahren, wir gedenken der Menschen, die ihre Heimat verloren haben und versuchen, ihnen eine Stimme zu geben. Wir vertrauen auf Gott, der allen Menschen eine Heimat schenkt, auch wenn wir weggehen müssen. Wir bitten Gott, dass es ein Ende haben möge mit Vertreibungen und Flucht. Dass wir zusammen leben können, ganz gleich, welche Sprache wir haben oder welcher Kultur wir angehören.
Möge Gott die Erinnerung segnen und fruchtbar werden lassen, damit wir und unsere Kinder eine bessere Zukunft haben. Amen.
Michael Heinrichs
Wandorf, 28. 04. 19